Gebärfeindliche Recken – über social freezing und social coldness

Gebärfeindliche Recken – über social freezing und social coldness

Ich hatte bei meinem ehemaligen Arbeitgeber ein denkwürdiges Erlebnis: Eine Kollegin, ziemlich toughe Architektin und Projektmanagerin, Mitte 30, lud in der Teeküche zum kleinen Umtrunk und verkündete freudig ihre Schwangerschaft. Ihr Chef, Herr Meerbold, ergriff daraufhin das Wort, um ihr vor allen Kollegen mit düsterer Stimme zu kondolieren. Die Karriere einer brillianten Mitarbeiterin sei nun beendet. Statt aufregender architektonischer Details würden ab jetzt volle Windeln und Kinderkrankheiten ihr Leben bestimmen. Betretenes Schweigen. Noch heute ärgere ich mich, in dieser Situation nicht schlagfertig reagiert und meiner Kollegin zur Seite gestanden zu haben.

nehmt ihnen die Rente weg!

Jetzt kann man solch einem Chef Herzlosigkeit vorwerfen. Was ihn von anderen unterscheidet, ist jedoch einzig seine Offenheit. Denn in der Sache sind bis auf wenige Ausnahmen alle gleich: Es wird sich zwar beschwert über fehlende Talente, aber der Zusammenhang zwischen sinkenden Geburtenraten, verpuffenden Recruitingmaßnahmen und unbedachten Äußerungen wird nicht gesehen.

Da kann man noch so viel auf die Bundesregierung schimpfen: Die Meerbolds sind am Ende Schuld. Wer mit solchen Spitzen bei seinen Kolleginnen eine lähmende Atmosphäre der Gebär-Angst schafft, trägt sein eigenes Unternehmen zu Grabe, wenn auch mit einem Zeitzünder von 25 Jahren. Aber bis dahin sitzt man ja schon im Schaukelstuhl und genießt die Rente, die einem fremd gezeugte Kinder erwirtschaften.

no women, no fun!

Nehmen wir mal an, ich sei ein frisch gebackener Absolvent: Single, gutaussehend und -ausgebildet. Da ich der Generation Y angehöre, ist mir Geld weniger wichtig, als eine kollegiale Arbeitsatmosphäre [Kienbaum Absolventenstudie]. Wie bescheuert müsste ich dann sein, um mich im Unternehmen des Herrn Meerbold einstellen zu lassen? Wenn die alle Frauen rausgeekelt haben, sind meine Chancen, hier die Frau fürs Leben zu finden, gleich Null. Kann also sein, dass Schwangeren-Dissen schon früher als gedacht zu einem gravierenden Recruitingnachteil im War of Talents wird….

Fruchtfolge statt Monokultur

Jeder Bauer weiß, dass Fruchtfolgen den Monokulturen vorzuziehen sind.
McKinsey wies in ihrer Studie Women Matter nach, dass Unternehmen mit mehr als zwei Frauen in der Führungsebene stärker wachsen, als die Konkurrenz, höhere Gewinne machen und ihren Aktienkurs schneller steigern können. Gender-Diversity sei Dank.

Aber so bitter das klingt: Obwohl 60-70 Prozent der Einser-Diplome von Frauen geschrieben werden, bekommt die Karriere derer, die zeitig eine Familie gründen, mehr als nur eine Delle. Nein, sie sind oft komplett raus und überlassen damit den (im Studium noch zweitplatzierten) Männern das Feld. Mark von Gerkan – BER Architekt und langjähriger Universitätsprofessor in Braunschweig – hat diesen Fakt in einer Vorlesung mal zynisch auf den Punkt gebracht: „Ich finde es ok, wenn Frauen Architektur studieren; das gibt wenigstens kreative Hausfrauen.“

Da war doch die Idee des social freezing von Apple und Facebook gar nicht so blöd. Gebt den Frauen die Möglichkeit, ihre Power gleich nach dem Abschluss voll auf die Straße zu bringen. Ihre eingefrorenen Eizellen können sie sich dann ja im Rentenalter einsetzen lassen. Dann haben sie doch eh mehr Ruhe, um den lieben langen Tag auf´m Spielplatz rum zu lungern und die nötige Gelassenheit, um vollgeschissene Windeln zu waschen.

wer zuletzt lacht

Nicht wahr – oder? In einem Land mit dem zweithöchsten Durchschnittsalter der Welt und der mit Portugal niedrigsten Geburtenrate Europas sind wir nicht in der Lage, Kindererziehung und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Wer wissen will, wie es anders geht, sollte mal im Blog von sipgate aus Düsseldorf rumstöbern: da steht Familienfreundlichkeit nicht in der Selbstbeweihräucherungsecke der Internetseite sondern wird gelebt: Kinderminiclub mit Ferienbetreuung, Kinderfeste oder Girls-Day, ein Tag, an dem Mädchen in Berufe schnuppern können, in denen Frauen bisher noch nicht so stark vertreten sind. SO macht man Zukunftspolitik.

Und mal ganz im Ernst: Erzieherinnen sind im öffentlichen Dienst dermaßen schlecht bezahlt, dass es eigentlich ein Leichtes sein müsste, sich seinen eigenen Firmenkindergarten zu bauen und die bestausgebildeten VorschulpädagogInnen abzuwerben. Dass sich das wirtschaftlich ab 70 Mitarbeitern lohnt und wie das geht, steht im Spiegel.

Wie sagt Götz Werner: „Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe.“

02.02.2017 in

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