Schnell – Schneller – Bockmist Oder: Drängel(t) nicht so!

Schnell – Schneller – Bockmist Oder: Drängel(t) nicht so!

Nicolaus August Otto war ein Genie. Er hatte den Einfall, Benzin zu zerstäuben, mit Luft zu vermengen, dieses Gemisch zu verdichten, anzuzünden und WRUMMM!! mit dieser Idee unsere heutige Mobilität zu sichern. Der Verbrennungsmotor funktioniert unter hohem Druck. Einige unserer Projekte gehen in letzter Zeit ähnlich ab. Der Bauherr kommt mit Ideen, Wünschen und einer extrem verdichteten Zeitvorstellung und wir gehen innerlich in Deckung, denn wir kennen das Gemisch schon und wissen, dass es irgendwann explodiert; nur eben nicht so schön, leise und regelmäßig wie beim Ottomotor.

Wer sich hetzen läßt, verbrennt sich selbst und auch schnell mal seine eigenen Mitarbeiter, die dem ZeitDRUCK nicht standhalten. Die implodieren dann allerdings mehr, deshalb müsste es statt Burn-out eher Burn-in heißen.

Das Budget ist bei Huschhuschprojekten auch etwas, was sich gerne selbst entzündet, ohne dass irgendjemand nachher Schuld war: Das nennt sich dann Kosten-Explosion.

GOTT weiß wie schnell

Selbst der liebe Gott hat sechs Tage gebraucht! Er hatte zuerst mal einen Plan: „Im Anfang war das Wort“. Dann hat er alles schön nacheinander gemacht. Nach jeder Teiletappe hat Gott zurückgeblickt „und sah, dass es gut war“. Am siebten Tag hat sich Gott dann auch mal ausgeruht. Ach, wesentlich: Gott hat sein Ding alleine machen können. Stellen Sie sich vor, Adam hätte ihm rein geredet und lieber drei Arme haben wollen.

Bei JEDEM gescheiterten Projekt hat irgendwer wider Gottes ziemlich klar formulierter Projektmanagementregeln gehandelt. Die da wären (grob zusammen gefasst):
1.) Plan haben und einhalten
2.) Rückblicken und für Gut befinden
3.) Ruhepausen einlegen
4.) nicht zu viele Köche am Brei

Ruhe ist nichts für Weicheier

Wissen Sie, was das Erfolgsrezept von guten Marathonläufern ist? Die erfolgreichsten Läufer sind nicht die, die am meisten trainieren, sondern die, die den besten Rhythmus an Ruhepausen raushaben. Wer vor dem entscheidenden Wettkampf zu viel läuft, ist raus!

Im Land der Dichter und Denker wissen wir zwar, dass Wein, Whisky und Käse ausreichend Ruhezeit zum Reifen benötigen – Denkleistung allerdings soll am Besten nachts oder am Wochenende passieren, um nicht unnötig Arbeitszeit zu kosten.

Wer meint, in der Ruhe liege die Kraft, der gönne sich doch bitte in der Freizeit Yoga- oder Atem-Seminare, um zurück zu finden zu Heiterkeit und Gelassenheit – Projekte hingegen werden nur unter Schweiß und Tränen richtig gut.

Zeit. Rechnung.

„Wir haben gerade den Mietvertrag unterschrieben, Umzugsunternehmen ist bestellt, wir ziehen in zwei Monaten um – Sie müßten uns jetzt nur mal fix ´nen Plan machen, wer wo sitzen soll.“ So fing ein Auftrag an, an dem wir uns gerade die Zähne ausbeißen. Das Dumme ist nämlich, dass, wie so oft, viel mehr unklar ist als nur die Sitzordnung…

Von 10 Bauherren hat nur 0,5 eine annähernd realistische Einschätzung, was ein Projekt an Planungszeit bedarf, damit es gut wird.

Und: Paradoxerweise habe ich in 20 Berufsjahren noch nie jemanden getroffen, der für sein Projekt „zu viel“ Zeit veranschlagt hätte. Dagegen sind es von den 10 mindestens 2,5 Bauherren, die mit Zeitvorstellungen kommen, wegen derer ich sie sofort aus dem Büro schmeißen müßte. Bei 2,2 ärgere ich mich dann nach einem Jahr, dass ich es nicht getan habe.

Nochmal zurück zu Gott. Der war (ist?) klug. Klug genug, um erst die Meere und dann die Fische zu erschaffen. Unsere Bauherren galoppieren teilweise so schnell, dass sie wesentliche Dinge schlicht vergessen…. Farbe oder Ruhezonen zum Beispiel. Und dann nach Luft schnappen, wenn nach dem Umzug die Mitarbeiter kündigen.

Ungöttliche Vorgehensweise

Wir Architekten sind zwar schon ganz schön göttlich – aber das mit der Autokratie funktioniert heute leider nicht mehr so gut wie zum Anbeginn der Zeit. Uns Nichtgöttern fehlt schlicht der Durchblick, um Dinge allein zu erschaffen.

Hier also erfolgt die Abweichung zu Gottes Plan: Wer will, das Dinge richtig gut werden, involviere seine Mitarbeiter – Gott spielen läuft, das wissen wir aus Erfahrung, oft teuflisch schief. Da das Irren des Einzelnen menschlich ist, setzen wir mittlerweile auf die Intelligenz der Gruppe, auch wenn das “Zeit kostet”.

Und es ist nur eine Vermutung, ich war nicht dabei, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Nicolaus August Otto sich nicht hetzen ließ.

Mit geruhsamen Grüßen
Guido Rottkämper

09.09.2016 in

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