Faule Schweinehunde? Warum am Geschirrspüler immer dieselben die Dummen sind

Faule Schweinehunde?  Warum am Geschirrspüler immer dieselben die Dummen sind

Frau Solms ist eine adrette Frau in den Fünfzigern. Sie ist Empfangsdame in einem großen Leipziger Unternehmen, jeden Tag gut frisiert und gut gelaunt. Sie ist zuvorkommend, liebenswürdig und sanftmütig – und diejenige, an der täglich der ganze Dreck hängenbleibt.

Der Kaffeesatzbehälter ist die Zahnpastatube des Büros

Frau Solms leert den Kaffeesatzbehälter, wischt vor Besprechungen Pizzakrümel vom Tisch, füllt Klo- und Kopierpapier nach und räumt den Geschirrspüler ein und aus. Nicht, dass sie dafür bezahlt würde. Sie macht es, weil es sonst keiner tut und füttert damit täglich eine ganze Meute Schweinehunde.

Denn die Kollegen, hinter denen so still und freundlich hergewischt wird, sind nicht etwa übervoll der Dankbarkeit – oh nein. Frau Solms ist eine Selbstverständlichkeit. Im Innersten glauben insbesondere die Männer gereiften Alters wohl noch immer an die Heinzelmännchen. Wenn zu Hause die Schlüpfer im Bad von Zauberhand verschwinden, dann doch bestimmt auch im Büro leere Tassen, Krümel und Kaffeeflecken.

Es hat sich vielleicht noch nicht herumgesprochen, aber WGs, Ehen, Freundschaften und eben auch Bürogemeinschaften laufen besser, wenn ungeliebte Aufgaben auf alle Schultern verteilt werden. Allerdings: Mit zunehmender Gruppenstärke nimmt das asoziale Verhalten leider zu. Da kann Alice Schwarzer noch so lange übers Feuer hüpfen und sich die Haare raufen – der Geschirrspüler “gehört” auch im 21. Jahrhundert noch von Frauen ausgeräumt. Steht zwar nirgends, ist aber so! Warum eigentlich?

Asozial!

Während sich Kommunikationsstrukturen in Unternehmen ändern, Offenheit, Transparenz und immer größere Vernetzungsdynamiken um sich greifen und die Modifikation von Unternehmenskulturen Changemanagern und Unternehmensberatern zu satten Gewinnen und gefüllten Auftragsbüchern verhelfen, bleiben die subkulturellen Strukturen in der Steinzeit und ungeliebte Aufgaben da, wo Sie schon immer waren: auf dem Rücken aller Frau Solms. Wieviel aber ist eine Unternehmenskultur wert, wenn gutes Betriebsklima vorm Geschirrspüler Halt macht?

Außerdem: ungerechte Aufgabenteilung bezogen auf Geschirr ist nur ärgerlich, anderes Fehlverhalten kostet deutsche Unternehmen richtig Geld. Kohorten betrieblicher Gesundheitsmanager beschäftigen sich mit zu wenig Bewegung, schlechter Körperhaltung, schlechter Ernährung und vor allem mit mangelndem Händewaschen. Das ist nicht nur voll eklig – es verteilt auch  Krankheitserreger. Laut ZEIT waschen sich nur 30 % der Männer und 64% der Frauen nach dem Toilettengang die Hände…

Wir verändern uns mit Spaß

Wenn Teamtrainings, Ermahnungen und Rundschreiben nicht oder nur auf kurze Dauer helfen – lässt sich Asozialverhalten eigentlich wirklich beeinflussen? Wenn auch nach Jahren durchdiskutierter Zweisamkeit die Zahnpastatube nicht verlässlich zugeschraubt wird – wie kann man dann bei Belegschaften von 30, 50, 100 Menschen gegen Beharrungstendenzen angehen – wird nicht der Anteil der Krümel-liegen-Lasser und Geschirrspüler-ist-voll-Ignorierer mit wachsender Anonymität immer höher?

Volkswagen ist der Meinung, dass Spaß menschliches Verhalten zum Besseren verändern kann. Mit dem „the fun theory“-Award werden Projekte unterstützt, die spaßhaft unser Leben umformen. Ob es zum Klavier umgebaute Treppenstufen sind,  die in der U-Bahn den Anteil der Treppensteiger um 63 % steigern, oder geräuschmachende Abfalltonnen, in deren Umkreis die Welt plötzlich blitzsauber wurde. Das Beratungsunternehmen Eurocres aus Berlin treibt schon bei der Bürokonzeption Mitarbeiter ins „Aktiv office“: In der Sparkasse Rhein-Nahe wurden ein Wassergraben mit einem Sprungzähler kombiniert und die Mitarbeiter zu bürountypischen Bewegungen motiviert.

Jede App, jedes Onlinespiel schafft mittlerweile über Gamification subtil spaßorientierte Belohnungen – warum nicht mit einem teuren Seifenduft olfaktorische Reize zum Händewaschen schaffen? Ein erotisch gehauchtes Dankeschön der geleerten Kaffeemaschine oder freudvolles Quieken des Kopierers nach Einlegen der Farbpatrone würden vielleicht auch den ein oder anderen Mann animieren, mal Hand anzulegen?

Ich denke, die meisten Schweinehunde sind im Grunde ziemlich liebenswürdig und lassen sich mit einem Augenzwinkern konditionieren – damit Frau Solms mal früher nach Hause kommt.


31.07.2015 in ,

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